Bio Vollwertbäckerei Gradwohl GmbH
Familienbetrieb, Geschäftsführer Peter Gradwohl
Interview mit Emma Gradwohl
Spezialisierung
Die Bäckerei Gradwohl ist ein Familienbetrieb, gegründet im Jahr 1959 von Johann Gradwohl, dem Vater des aktuellen Geschäftsführers, Peter Gradwohl.
Liebe zum Handwerk, Sorgfalt im Umgang mit Backwaren und einzigartiges Know-How über verschiedenste Getreidearten zeichnet diesen burgenländischen Familienbetrieb aus.
Der Firmengründer kann als Visionär bezeichnet werden. Schon in den 1960er Jahre erkannte er das Potenzial und die Bedeutung gesunder Ernährung und spezialisierte sich bereits zu dieser Zeit auf Bio- sowie Vollkornprodukte. Ihm gelang es, die Kunden von reichhaltigem und damals eher unbekannten Brot zu überzeugen und baute dadurch eine innovative Bäckerei auf.
1996 übernahm der heutige Geschäftsführer, Bäcker- und Konditormeister Peter Gradwohl, die Firma seines Vaters. Innerhalb weniger Jahre expandierte der Familienbetrieb weit über seinen Standort hinaus. Filialen in Wien, Niederösterreich und Burgenland wurden errichtet. Mit neuen kreativen Ideen und eigens entwickelten innovativen Rezepten gelang es, neue Kreationen zu schaffen und das Sortiment zu bereichern.
Heute verfügt die Firma über 17 Standorte und beschäftig rund 135 Mitarbeiter.
Das Unternehmen erzeugt nur vollwertige Bio-Produkte, die Website verfügt über einen umfangreiches Online-Sortiment und ein detailliertes Lexikon der verwendeten Getreidesorten.
Sektor
Sekundär: Bäckerei
Gemischt mit dem Dritten Sektor: Handel (die erzeugten Produkte werden in eigenen Filialen verkauft)
Land
Österreich
Webseite
https://www.gradwohl.info
Hauptgründe für die Entscheidung zur Umsetzung der Altersmanagement-Maßnahmen
Schwierigkeiten, genügend hoch qualifiziertes Personal für die Backstube zu finden führte zu unserem Prozess der Einführung des Altersmanagements. Wir wollten dahinter kommen, warum kaum einer unserer hoch spezialisierten Mitarbeiter bis zum Pensionsantritt in Beschäftigung blieb.
- Wie überall in der westlichen Welt werden auch hier im Burgenland in den nächsten 10 bis 12 Jahren mehr als 30 % der Arbeitnehmer und Angestellten in den Ruhestand gehen. Die Bäckerei ist in den letzten Jahrzehnten schnell gewachsen ist, ein großer Teil der festangestellten Mitarbeiter kam aus den Orten rund um den Hauptsitz des Unternehmens. Es wird kompliziert sein, diese Arbeitnehmer zu ersetzen. Erstens, weil es einfach weniger junge Menschen gibt, die in der Gegend leben. Zweitens, weil nicht so viele junge Menschen in der Produktion arbeiten wollen.
- Der größte Teil der Arbeit in der Produktion ist sehr spezifisch und es dauert lange, ein voll ausgebildeter Mitarbeiter zu werden. Daher muss man eine langfristige Strategie haben, um reibungslos und ohne Probleme in Qualität und/oder Quantität weiterzumachen.
- Die älteren Mitarbeiter fühlen eine starke Bindung zum Unternehmen, was den Jüngeren fehlt.
- Das Unternehmen braucht gute Argumente und Angebote, um junge Menschen davon zu überzeugen, mit ihm zu arbeiten.
- Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die vorbeugende medizinische Versorgung. Dieses Unternehmen beschäftigt sich mit Lebensmitteln, daher ist es besonders wichtig, dass die Mitarbeiter gesund sind. Insbesondere die Lunge muss regelmäßig untersucht werden, da der ständige Einsatz von Mehl Schäden verursachen kann. Hier braucht es also auch gut entwickelte Gesundheitspläne.
Dimension des Altersmanagementsn
Gesundheitsförderung
- Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen (besonders für Mitarbeiter der Backstube)
- Gute Belüftung der Pausenräume
- Empfehlung von ausgleichender Gymnastik (besonders für Mitarbeiter der Backstube)
Erhaltung der Beschäftigung & Strategien zum Übergang in den Ruhestand
- Rechtzeitige Vorbereitung auf den Ruhestand, Planung des Personaleinsatzes
- flexible Übergangsformen in den Ruhestand
- stufenweise Arbeitszeitverkürzung
- eventuell Wechsel des Tätigkeitsbereiches
Ganzheitlicher Ansatz
- Förderung der Kommunikation im Unternehmen, Verbesserung der Unternehmenskultur
- Bekenntnis zur Vermeidung von Problemen mit dem Altersmanagement;
- Konzentration auf den gesamten Firmenbereich, alle Tätigkeiten und alle Altersgruppen, nicht nur ältere Arbeitnehmer. So werden alle Beschäftigten in ihrer Diversität einbezogen.
Erwartetes Ergebnis
- Mehr Zufriedenheit der Beschäftigten mit ihrem Arbeitsplatz
- Mehr Verständnis für die Schwierigkeiten und Bedingungen der verschiedenen Arbeitsbereiche untereinander (Bäcker; Ladner; Chauffeure; Verkäufer in den Filialen, Administration, Management)
- Nachhaltige Integration neuer Mitarbeiter
- Wissenstransfer von erfahrenen Mitarbeitern zu Neueinsteigern
- Weniger Krankenstände und längere Bindung an den Betrieb, vor allem der hoch qualifizierten Mitarbeiter
Wir erwarten die gesundheitliche Möglichkeit und die emotionale Bereitschaft der Mitarbeiter, länger als zum Alter von 60 Jahren zu arbeiten.
Ziel ist es, das Thema der verschiedenen Altersgruppen und Generationen offen zu diskutieren und zu vermeiden, hinter dem Rücken der Jüngeren oder Älteren zu flüstern – „einer gegen den anderen“.
Durch die offene Diskussion und Umsetzung von Maßnahmen wollen wir das Verständnis unserer Leistungen für alle Altersgruppen steigern.
Unser Weg zum Altersmanagement
2017 haben wir unser großes Projekt gestartet. Wir haben eine Umfrage zum Thema „Zufriedenheit am Arbeitsplatz“ durchgeführt, um mehr über die Bedürfnisse und Ideen der Mitarbeiter zu erfahren. Dies wurde von einem professionellen Institut organisiert und durchgeführt und alle Mitarbeiter in Produktion, Verwaltung und Einzelhandel konnten teilnehmen. Weitere Team-Treffen wurden in Querschnittsgruppen organisiert: die Jugendlichen unter 30 Jahren, die 30- bis 50-Jährigen und die über 50-Jährigen. Schließlich wurde ein weiteres Treffen nach Berufsgruppen installiert: die Arbeiter in der Bäckerei und in der Lieferung, Mitarbeiter im Vertrieb und in der Verwaltung.
Das war ein sehr komplexer Prozess und hat mehr als ein Jahr gedauert, denn die Backindustrie hat sehr unterschiedliche Arbeitszeiten. Wir arbeiten eigentlich fast rund um die Uhr! Der größte Erfolg dieser Umfrage war sicherlich, dass die Leute viel mehr miteinander sprachen. Sie konnten sehen, dass auch Kollegen Probleme haben. Gemeinsam haben sie darüber nachgedacht, wie die Dinge eingeordnet und gelöst werden können. Und einige Probleme ließen sich sehr leicht lösen, z.B. mehr Licht auf dem Parkplatz, alkoholfreie Getränke am Arbeitsplatz, Klarheit über Bonussysteme usw.
Weitere Ergebnisse dieser Umfrage:
- Medizinische Vorsorge mit besonderem Fokus auf der Lunge wurde als Standarduntersuchung etabliert. Jeder Mitarbeiter kann diese Untersuchung einmal im Jahr durchführen lassen.
- Männliche und weibliche Mitarbeiter mit kleinen Kindern werden bevorzugt. Sie können z.B. einen späteren Arbeitsbeginn wählen. Oder sie können ihre Arbeitsleistung auf einige längere Arbeitstage legen und sind an den anderen Tagen frei.
- Altersteilzeit ist ein weiterer Vorteil, der den Arbeitnehmern ermöglicht wird. Diese Maßnahme ist noch recht neu und muss immer wieder angepasst werden.
Stärken und Schwächen des gewählten Ansatzes
Stärken:
- Die Umfrage war ein großer Erfolg, die Mitarbeiter waren sehr stolz darauf, nach persönlicher Zufriedenheit mit ihrem Arbeitsplatz, ihrer Arbeitsbelastung und ihren Ideen gefragt zu werden. Die Stimmung im gesamten Unternehmen wurde unumgänglich.
- Die jüngeren Mitarbeiter schätzen die Möglichkeiten spezieller Arbeitszeiten sehr. Sie sind sehr zufrieden mit diesen Möglichkeiten.
- Die Diskussionen unter den Mitarbeitern waren groß und brachten die Menschen zusammen.
- Das Management hat sich verpflichtet, den Vorschlägen aus dieser Umfrage zu folgen und plant, die Menschen regelmäßig informell zu befragen.
Schwächen:
- Das Management hatte Zweifel, ob die Fragen wirklich ehrlich beantwortet wurden. Es gab und gibt eine Vermutung, dass die Leute zu höflich und freundlich mit ihren Antworten waren und es nicht gewagt haben, wirklich ehrlich zu sein. Sie befürchteten wahrscheinlich eine negative Auswirkung für ihre berufliche Zukunft. Dies wurde jedoch nicht offen zum Ausdruck gebracht und blieb zweifelhaft.
- Die älteren Arbeitnehmer sind manchmal eifersüchtig oder wütend über eine vermutete Bevorzugung der Jungen.
- Einige Mitarbeiter hatten sehr hohe Erwartungen, die nicht erfüllt werden konnten
- Der ganze Prozess kostete viel Zeit und Geld. Das Unternehmen kann es sich nicht leisten, dies regelmäßig zu tun. Die Gewinnspannen im Bäckerhandwerk sind sehr gering. Vermutlich in etwa 10 Jahren plant das Unternehmen wieder einen großen Prozess wie diesen.
Maßnahmen zur Unterstützung dieser Initiative
Die Initiativen wie die Gesundheitsvorsorge oder Blocken der Arbeitszeit werden fortgesetzt.
Eine weitere Erkenntnis ist, wie wichtig es ist, neuen Mitarbeitern die Philosophie des Unternehmens zu erklären.
- Wofür steht das Unternehmen?
- Was wollen wir erreichen?
- Wie wichtig sind unsere Mitarbeiter für uns, das Management?
Es gibt jetzt einen schriftlichen Zeitplan für die Integration neuer Mitarbeiter:
- Es gibt zwei Wochen, um sich mit den Arbeitsbereichen vertraut zu machen.
- Ein bis zwei Wochen zur Einarbeitung in der Bäckerei.
- Die Spezialisten haben viel mehr Zeit zum Einarbeiten, auf jeden Fall mehrere Monate.
Raum zum Reden und Tratschen ist wichtig! Das wird auch von der Geschäftsführung vorangetrieben.
Die Geschäftsführung tritt offensiv an die Belegschaft heran, sie erklärt den Mitarbeitern ihre Probleme und bittet um Verständnis für besondere Arbeitssituationen wie „Sommergeschäft“ oder „Wintergeschäft“.
Einmal im Jahr findet eine gemeinsame Festveranstaltung für und mit allen Mitarbeitern statt.
Es muss nicht unbedingt eine Weihnachtsfeier sein – zum Beispiel war es ein Herbstfest im letzten Jahr.
Monitoring der Auswirkungen
Es ist wichtig, dass sich mindestens eine Person auch um den Personaleinsatz und die persönliche Entwicklung kümmert. Das Unternehmen muss seine Mitarbeiter kennen und an der richtigen Stelle einsetzen. Zum Beispiel muss der Krankenstand überprüft werden und wenn etwas auffällt, muss es auch mit dem Mitarbeiter besprochen werden. Manchmal sind die Leute einfach auf der falschen Position und Sie helfen ihnen, indem Sie den Arbeitsplatz ändern. Es ist möglich, dass die Leute einfach falsch eingesetzt werden und dass sie sich an einem anderen Ort im Unternehmen viel wohler fühlen. Zur Überwachung der schon gesetzten Maßnahmen und zur Sicherung der Qualität als Arbeitgeber sind wir mit dem Aufbau einer eigenen HR-Abteilung beschäftigt. Eine junge Fachkraft wird gerade dafür ausgebildet.
Positive Auswirkungen der Initiative
- Der Aufbau einer eigenen HR-Abteilung ist eine direkte Auswirkung der Initiative zum Altersmanagement.
- Das Betriebsklima hat sich wesentlich verbessert, die Stimmung unter den Mitarbeitern hat sich positiv verändert. Wenn Mitarbeiter mitreden dürfen, fühlen sie sich stärker mit ihrem Arbeitsplatz verbunden.
- Der Dialog zwischen den Generationen wurde wesentlich verbessert. Wenn die Mitarbeiter mehr über ihre Kollegen wissen, helfen sie ihnen lieber. Auf diese Weise können die Generationen viel besser zusammenarbeiten. Wenn sie zusammen lachen, können die Generationen einander viel besser verstehen.
- Die neuen Möglichkeiten zur Gesundheitsvorsorge und die neuen Arbeitszeitmodelle werden gerne angenommen, so werden die Mitarbeiter länger in Beschäftigung bleiben können.
- Durch unser neues Stufenprogramm zur Integration neuer Mitarbeiter werden wir als Arbeitgeber attraktiver.
Der Aha! Moment während des Prozesses
Das war der Beginn eines neuen Zeitalters in unserem Unternehmen! Die Mitarbeiter fühlten sich wichtig, wertgeschätzt. Zum ersten Mal wurden sie gefragt! Sie fingen an, miteinander zu reden und fragten sich, was man bei der Arbeit besser machen oder organisieren könnte und wie sie sich gegenseitig helfen könnten! Das war eine große Überraschung für uns auf Managementebene. Wir wussten, dass wir „gute“ und fähige Mitarbeiter hatten. Aber dass sie sich aktiv einbringen wollten, um ihren Arbeitsplatz zu verbessern und tatsächlich noch schneller zu arbeiten, damit hatten wir nie gerechnet!
Persönliche Empfehlung
Für mich ist das Wichtigste, dass alle Mitarbeiter zusammenkommen. Die Produktion und die Einzelhandelsgeschäfte sind weit voneinander entfernt, die Leute sehen sich nicht, wenn das Management es nicht organisiert. – Aber mindestens einmal im Jahr muss es sein.
Auf regionaler Ebene wäre sogar ein monatliches Treffen erforderlich. Bei einer Tasse Tee oder Kaffee können sich die Mitarbeiter austauschen. Sie können auch diskutieren, was sie an ihrer Arbeit nicht mögen und sie hören, wie es anderen geht.
„Durch’s Reden kommen die Leut z’samm!“, sagt man bei uns. Zum Beispiel weiß der Verkäufer nicht, wie schwierig es ist, täglich Brot von der gleichen Qualität und Form zu produzieren. Oder wie eng der Zeitplan des Fahrers ist, alle Waren rechtzeitig zu liefern.
Kommunikation ermöglicht gegenseitiges Verständnis. Mit einem offenen Kommunikationsprozess können die Mitarbeiter das Unternehmen auch nach außen gut vertreten. Wenn sie gerne arbeiten, funktionieren sie auch besser.